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Gott redet zu den Menschen im Traum, im Nachtgesicht, wenn sie auf ihrem Lager schlummern, öffnet er den Menschen das Ohr.

(Altes Testament - Hiob 33)

Was ist überhaupt ein Mythos?


Das Wort Mythos kommt aus dem Griechischen und bedeutet „eine Erzählung, eine Überlieferung“.


Seit Anbeginn der Zeit erzählten Menschen sich Geschichten, um Dinge besser begreiflich zu machen, ihr Welt- und Selbstverständnis zum Ausdruck zu bringen, um das Unvertraute vertraut zu machen, das Nichtmenschliche (z. B. Gottheiten) zu vermenschlichen und den Dingen hinter den Dingen Gestalt zu geben. Auch wurden sie erzählt, um eine Art Anleitung zum Leben weiterzugeben.


Genau wie bei den Träumen geschieht dies über eine Bildsprache, bei der jeder Zuhörer, ob Kind oder Alter das begreifen kann, was ihm gerade möglich ist. Es ist wie bei einem guten Buch, das man in Abständen von ein paar Jahren immer wieder liest und immer wieder neue Einblicke und Verbindungen entwickelt, immer wieder Neues begreift, immer tiefer fühlt.


Adam und Eva


Der Mythos von Adam und Eva ist ein gutes Beispiel um solch eine Anleitung zu betrachten.

An kaum einem Tier scheiden sich die Geister so sehr wie an der Schlange. Die wenigsten stehen ihr neutral gegenüber und doch ist sie in jeder Kultur ein mythisches Wesen.


Was lehrt uns der Schlangenmythos? Welche Entsprechung haben wir selbst zum Schlangendasein?


Die Schlange kann sich auf glatten Untergründen nicht fortbewegen, sie braucht Gestrüpp und Widerstände, an denen sie sich reibt und über das sie hinfort kriechen kann, sich hochwinden kann.


Das ist das Gleichnis für die Widerstände und unser geistiges und seellisches Gestrüpp, das wir im Leben überwinden müssen. Ohne Widerstände und Herausforderungen entwickeln wir uns nicht weiter.


Schlangen haben eine gespaltene Zunge mit der sie sehr gut riechen können. Sie hat zwei Spitzen … welche Nahrung schmeckt mir besser, welche verspricht durch ihren Duft, dass sie mir gut bekommt?


Das ist das Gleichnis für: Will ich dies oder das? Für was entscheide ich mich in meinem Leben bei großen und auch bei kleinen, alltäglichen Entscheidungen? Für das, was mir lebendiges Leben bringt? Oder bleibe ich klein vor Angst?

Das sind unsere Ambivalenzen im Leben.


Schlangen häuten sich ihr ganzes Leben lang und wachsen immer in eine größere Gestalt hinein. Das ist das Gleichnis für unser eigenes Wachstum, auch wir müssen uns immer wieder häuten und uns von alten Lebensentwürfen und gelebtem Leben befreien, um in ein höheres Bewusstsein und Leben hineinzuwachsen.


Der Äskulap-Stab ist deshalb ein weises Sinnbild für den ärztlichen und pharmazeutischen Stand. Ursprünglich war er ein Attribut des Asklepios, des Gottes der Heilkunde aus der griechischen Mythologie.


Ein gesundes Leben setzt also voraus, dass ich mich weise für oder gegen Dinge entscheiden kann, dass ich Hindernisse als willkommene Hilfen sehe, über mich hinauszuwachsen und alte Lebensgewohnheiten immer wieder ablege, um in ein größeres und stimmiges Leben zu finden.


Schlangen sind das Gleichnis für unseren Lebenstrieb. Evolutionär sind sie die Vorstufe zu den Vögeln und Säugetieren, was auf die Vorstufe Freiheit und Aufzucht von Leben verweist.


Unsere Welt wird so immer wieder neu geboren. Dieses Gleichnis spiegelt sich auch im Symbol des Welten-Eies mit der sich drum herum windenden Schlange.


Adam und Eva haben sich von ihrem gesunden Lebenstrieb, dargestellt durch die Schlange im Garten Eden, zu einem höheren Bewusstsein und größerem Leben verführen lassen. Die Frucht der Erkenntnis öffnete ihnen die Augen, denn sie brachen im positiven Sinne ein Tabu.


Es wird berichtet, dass sie ihre Nacktheit erkannten, das heißt, ihnen wurde bewusst, dass sie sich nun frei und schöpferisch ihren eigenen Lebensstoff weben können.


Auch wird berichtet, dass im Garten Eden danach Feuer ausbrach. Feuer, das uralte Symbol für Transformation, verspricht hier, dass durch das Annehmen der Lebenskraft ihr "Lebensgarten" in etwas Größeres transformiert werden kann.


So wie bunte, hellgraue, weiße und gesunde, kräftige Schlangen unseren gesunden, freien und schöpferischen Drang darstellen, so symbolisiert eine schwarze oder kranke Schlange das Gegenteil, die Verneinung des Lebens und das Brachliegen unserer Schöpfungskraft.


Es scheint fast so, als wenn die Menschen auf allen Erdteilen und zu allen Zeiten diesen Mythos tief im Herzen empfanden, denn die gleiche Symbolik finden wir auch bei diesen Völkern:

Quetzalcoatl


In vielen mesoamerikanischen Kulturen, darunter die Tolteken, Maya und Azteken, erzählt man sich von Quetzalcoatl, der „leuchtenden Schwanzfederschlange“.

Die Tolteken verehrten die leuchtende Schwanzfederschlange als Schöpfergott, sein Herz war der Morgenstern am Himmel. Feindlich gesinnt war ihm Tezcatlipoca, der dunkle Bruder. Auch hier findet man die Botschaft, dass es sich um ein und denselben Trieb handelt. Der eine ist leuchtend bunt, sogar gefiedert (wir erinnern uns an die Vorstufe zu den Vögeln und zur Freiheit) und der andere ist dunkel und ein Feind des Lebens.


Auch die Azteken verehrten die leuchtende Schwanzfederschlange als Schöpfergott. Er symbolisierte den Wind, den Himmel, die Erde und den Ozean. Ihm zu Ehren wurden Tempel errichtet.


Der Mythos der Maya berichtet von einer identischen bunten und gefiederten Schlange als Symbol des Auferstehungs- und Reinkarnationsgottes, der aus dem Ozean kam und dorthin wieder zurückkehrt. Er trägt hier den Namen Kukulkan. Bei den Tagundnachtgleichen steigt er die Treppen hoch bzw. herunter, eine Anspielung auf „dem Licht entgegen“ und „in die Dunkelheit“.


In Guatemala wird die identische Schlange Gucumatz genannt.


Regenbogenschlange


Die „Rainbow Serpent“ ist ein mythisches Wesen in der Traumzeitvorstellung der Aborigines. Sie schuf das Universum und die Menschen, sie ist das große zweigeschlechtliche Schöpferwesen und ihre weibliche Kraft formt sich auf der Erde in Bergen, Tälern und Seen. In ihrer männlichen Erscheinung formt sie die Sonne und den Regenbogen. Das Motiv findet man heute noch oft in der australischen Kunst wieder.

Ähnlich wie in Mesoamerika existiert der Schlangen-Mythos nahezu auf dem ganzen Kontinent unter verschiedenen Namen:

"Baiame" im Osten, "Pundjel" im Süden, "Mangela" im Westen und "Ungud" im Norden.


Uräusschlange


Die Uräusschlange, die sich aufbäumende, goldene Kobra ist ein Schutz-Symbol aus dem alten Ägypten. An Tempeln, Häusern, als Schmuck und später, im mittleren Reich, vor allem als Stirn-Kopfschmuck an der Krone des Pharao, sprüht sie den Feinden ihren Feueratem entgegen. Auch hier der Verweis zum Feuer als transformierende Kraft.


Als Insignie der irdischen Macht des Pharao wurde vor Missbrauch durch falsche Götter gewarnt, heute würde man vor Missbrauch der Lebenskraft im Allgemeinen warnen.


Man berichtete, dass der ägyptische Sonnengott Re einst eines seiner Augen mit einem Auftrag ausgesandt. Als dieses nach Erledigung zurückkehrte, fand es seinen Platz durch ein nachgewachsenes Auge besetzt. Re ersann die versöhnliche Lösung, das nun ledige dritte Sonnenauge als "Uräus" an seine Stirn zu setzen.


Einem anderen Mythos zufolge hatte sich die unterägyptische Schlangengöttin "Wadjet" in Gestalt des Uräus auf das Haupt des Königs niedergelassen.


Wadjet ist eine der Schutzgöttinnen des Pharao. Sie wird als „himmlische Schlange, die die Nahrung des ewigen Lebens spendet“ beschrieben.


Ouroboros, der auf dem Sarkophag von Tutanchamun und in mehreren Zauberpapyri des hellenistischen Ägypten erscheint, ist das Symbol der kosmischen Einheit, des Mikro- und Makrokosmos. "Eins ist alles und alles ist in einem."

Die Vergangenheit geht der Zukunft voraus und umgekehrt.


Identisch ist die, aus der nordischen Mythologie stammende weltumspannende Midgardschlange, die von Snorri Sturluson, der als Autor der Snorra-Edda gilt, als ein Tier beschrieben wird, "das um alle Lande herum im Meer liegt und sich selbst in den Schwanz beißt."


Ananta - „endlos“ oder „die bleibende Kraft“


Vishnu, eine der wichtigsten göttlichen Erscheinungen im Hinduismus, die auch schon in den Veden vorkommt, ruht sich auf der kosmischen Schlange Ananta im Urozean aus.


Die Schlange selbst stellt den Urozean dar, den „Milchozean“, in den sich die Natur zurückzieht, jedes Mal, wenn sich die Welt wieder einmal auflöst. Ananta hat die Kopfform einer Kobra und wölbt sich schützend über Vishnu. Wenn Vishnu nach einer Ruhephase erwacht und Verlangen nach einer neuen Welt hat, dann sprießt aus seinem Nabel eine Lotusblüte.


Dem entgegengesetzt tötet Kaliya, die schwarze Schlange, jedes Lebewesen am Flussufer und vergiftet das Trinkwasser. Es wird berichtet, dass Krishna von ihr gebissen wurde und dadurch eine Zeit bewegungslos war. Hier ist die Anlehnung an die Depression, an das schwindende Leben durch die Berührung des negativen Triebes. Krishna schafft es, Ananta aus dem Fluss zu verbannen.


Dam Ballah


Der Vater aller Geister, Schutzgeister und Menschen, der oberste „Loa“ und seine Frau Ayida Wèdo verkörpern die absolute Gottheit in der haitianischen Religion. Er ist der Gott der Fruchtbarkeit, der Sexualität, der kulturellen Wurzeln und der Tradition.

Ayida Wèdo wird als Regenbogenschlange abgebildet und Dam Ballah erscheint zumeist als grüne oder blaue Schlange.

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